Engel Aloisius oder Buße für Meuchelmord?

Um zu verstehen, wie es zu dem aberwitzigen Plan vom Eichenzentrum Erlenfurt gekommen ist, muss man etwas weiter ausholen: Jeder bayerische Politiker, der sich für wichtig hält, wartet nachts auf den Engel Aloisius, der ihm die göttlichen Ratschläge überbringt. Wenn ihm dann tatsächlich im Traum der Engel erschienen ist, macht er sich sofort und ohne Rücksprache mit den zuständigen Fachleuten daran, diese Ratschläge umzusetzen. So war es bei den Ministerpräsidenten Stoiber (G8) und Seehofer (3. Nationalpark in Bayern). Und auch Peter Winter, MdL aus dem Spessart und mit einem Ego ausgestattet, das dem von drei Ministerpräsidenten entspricht, träumte vom Engel Aloisius: Dieser habe ihm auch einen göttlichen Ratschlag überbracht: Er soll ein Eichenzentrum bauen im Hafenlohrtal, genauer im Hofgut Erlenfurt.

Noch ein anderer Aspekt ist wichtig: MdL Peter Winter hatte mit seinem Verein „Wir im Spessart“ praktisch im Alleingang einen Nationalpark Spessart verhindert. Nachdem das geschafft war, plagte ihn aber doch die Angst, er könnte als jemand in die Geschichte eingehen, der dem Spessart stark geschadet hat. Das wollte er auf keinen Fall und so suchte er sich ein Projekt, mit dem er den angerichteten Schaden wieder gutmachen kann. So ähnlich wie ein mittelalterlicher Ritter, der einen Konkurrenten gemeuchelt hat und dann zur Buße ein Kloster gründet oder zumindest eine Kapelle erbauen lässt. Der Engel Aloisius kam ihm da also gerade recht.

Wenn sie nur wollen, können Politiker sehr effektiv sein

Sofort machte sich MdL Peter Winter an die Arbeit. Als Vorsitzender des Landtags-Finanzausschusses saß er ja (noch) an der Quelle. Und natürlich ist sein Vorgehen professionell: Zuerst einmal wird nur eine relativ kleine Summe beantragt und auch genehmigt. In diesem Fall 12 Mio €. Dann fließt erstes Geld in die Planung. In München, wo man vom Spessart erwiesenermaßen wenig weiß und noch weniger versteht, äußern sich einige Politiker positiv zu dem Projekt. Dadurch wird das Projekt zu einem Selbstläufer. Dann kann man eingestehen, dass es wesentlich teurer wird: Plötzlich ist von 26,5 Mio E die Rede.  Das sind weit über 100 % Preissteigerung  in einem halben Jahr. Und dabei ist noch gar nicht mit dem Bauen begonnen worden. Normalerweise stellen sich die teuren Probleme bei solchen Projekten erst während der Bauphase heraus. Und wenn Genehmigungsverfahren laufen, wird sicher auch die Abwasserentsorgung zur Sprache kommen. Dieses Vorgehen funktioniert immer, ob bei der Hamburger Elbphilharmonie, dem Stuttgarter Bahnhof oder dem Dammbacher Gemeindezentrum.

In Peter Winters Nachbar-Stimmkreis hat der Inhaber Thorsten Schwab beizeiten mitbekommen, dass da etwas läuft. Und er wollte für seinen Stimmkreis auch etwas aus dem großen Topf: zuerst ein Baumwipfelrestaurant mit allem möglichen drumherum, später dann eine Naturbegegnungsstätte – was auch immer das ist –  mit einem großen  Aussichtsturm. Vor Wahlen gilt in Bayern: wir versprechen erst einmal viel Geld, dann überlegen wir uns, was wir genau damit genau machen. So hat er über den Daumen gepeilt und dann einfach mal 10 Mio gefordert. Wahrscheinlich hat er sich selbst am meisten gewundert: die 10 Mio wurden anstandslos bewilligt. Zusätzlich, so schreibt er auf seiner Homepage, sollen auch noch 10 Stellen entstehen. Die Folgekosten sind also enorm.

Eine Frage bleibt noch: Was ist eigentlich mit den anderen CSU-Abgeordneten aus dem Spessert? Sind die zu anständig, um solche Spiele mitzumachen oder zu schlafmützig?

Am 31. Juli 2018 wurden dann auf einer Kabinettssitzung auf der Zugspitze für den Spessart zwei Einrichtungen beschlossen:  Eichenzentrum im Hochspessart und Naturbegegnungsstätte am Bischborner Hof. 

Das Hofgut Erlenfurt im Hafenlohrtal (Zukünftiges Eichenzentrum)

Damit alle wissen, um was es geht, bringe ich hier einige Bilder vom Hofgut Erlenfurt:

Eichenzentrum Erlenfurt

In diesen Gebäuden soll ein Tagungszentrum und eine Akademie entstehen!

Abgesehen davon, dass die Anlage weitgehend marode ist und die Umwandlung zu einem Eichenzentrum einem Neubau gleichkommt, gibt es noch ein weiteres schwer lösbares Problem: Unter dem Dach des ehemaligen Stallgebäudes (das abgerissen werden soll) befindet sich eine große Schwalbenkolonie. Die Tiere sind geschützt und müssen umgesiedelt werden, bevor mit dem Bauen begonnen werden kann. Die bisher ungeklärte Frage ist: wohin?

Mehr als 50 weitere Bilder vom Hafenlohrtal finden Sie auf meiner Seite www.spessartbilder.eu. Die Bilder oben sind aktuell aus 2018. Wer mag, kann sie anklicken. Dann werden sie vergrößert. Und wer sich selber ein Bild machen will: In den Hof führt eine breite Zufahrt ohne Schranke oder gar Verbotsschild. Man kann sich problemlos umschauen.

Der Bischborner Hof an der B26 bei Lohr

Das Geld ist da. Was aber genau entstehen soll, darüber sind sich die Beteiligten noch nicht im klaren. 

Beispiel Eichenzentrum Erlenfurt im Hafenlohrtal: Im Spessart hat man inzwischen eingesehen, dass man keine Touristenströme in das weitgehend unter Naturschutz stehende Hafenlohrtal lenken kann. Man spricht daher nur noch von einem „entschleunigten Tagungszentrum“ im Hofgut Erlenfurt. Das will zwar niemand, braucht niemand, aber es stört auch niemanden sonderlich. Im Bayerischen Kabinett hat man dazu allerdings andere Vorstellungen: In der Pressemitteilung der Bayerischen Staatskanzlei über die Kabinettssitzung am 31. 7. 2018 heißt es wörtlich: „Im Hafenlohrtal bei Rothenbuch wird das ehemalige Hofgut Erlenfurt zu einem „Eichenzentrum Hochspessart“ mit Dauerausstellung, Erlebnisangeboten und angeschlossener Akademie „Wald und Gesellschaft“ ausgebaut.“ Also für jeden etwas.

Erlebnisangebote: Vor Ort ist man nach Protesten der Naturschutzverbände überein gekommen, dass man keine Touristenströme in das weitgehend unter Naturschutz stehende Hafenlohrtal lenken kann. Auch die Vorstellung, dass man von einem Großparkplatz am Bischborner Hof die Besucher nach Erlenfurt wandern oder mit der Rad fahren lässt, ist man abgekommen. 4 km Luftlinie und 200 Höhenmeter sind doch eine Ansage.  Man spricht daher vor Ort nur noch von einem „entschleunigten Tagungszentrum“. Die Münchener haben das allerdings noch nicht mitbekommen.
Akademie „Wald und Gesellschaft“: Was diese Akademie soll, weiß niemand. Sicher ist wohl nur: Es entstehen einige schöne und gutbezahlte Posten. Damit kann man einzelne Kritiker und deren Organisationen ruhig stellen. Oder aber gute Freunde versorgen.
Dauerausstellung: über die Erfolgsaussichten einer Dauerausstellung zum Thema Wald (in abseitiger Lage) kann man sich trefflich im Wattenbacher Haus in Preunschen informieren. Ursprünglich mit viel Enthusiasmus eingerichtet, kümmert es heute vor sich hin. Im Sommerhalbjahr ist es Samstag und Sonntag von 11.00 – 17.00 Uhr geöffnet, im Winterhalbjahr jeweils 2 Stunden weniger. Einem Waldinformationszentrum im Hafenlohrtal dürfte es nicht viel besser ergehen.

Für Pflege und Unterhalt ist wohl auch zu wenig Geld da:

Am Bischborner Hof ist die Situation ganz ähnlich: Dort soll eine Naturbegegnungsstätte und ein großer Aussichtsturm entstehen: Was ist eine Naturbegegnungsstätte?  Wie groß wird die und auf welchem Grundstück wird sie stehen. Und welche spektakuläre Aussicht soll den Aussichtsturm so attraktiv machen? Baumwipfel alleine reichen wohl nicht, um eine Millioneninvestition zu rechtfertigen.
Ich erinnere mich, dass vor Jahren am Bischborner Hof der Gaststättenbetreiber Ferienhäuser errichtet wollte. Die zuständige Gemeinde Neuhütten hat damals nach meiner Erinnerung die Zustimmung wegen fehlender Abwasserentsorgung verweigert. Darauf wurde das kurz vorher renovierte Haus gleich wieder geschlossen. Es wurde dann von einem Unternehmer gekauft, der auf dem Gelände hinter dem Gasthof einen schönen Reiterhof gebaut hat. Ob er Interesse daran hat, die Gaststätte jemals wiederzueröffnen ist fraglich. Und wenn er kann, wird er sich sicher auch gegen weitere Einrichtungen wehren, die seine Ruhe stören könnten. Außerdem sind hier noch teure Infrastrukturmaßnahmen (Abwasserentsorgung) erforerlich, die bisher wohl nicht in die Kosten einkalkuliert sind. Vorteil des Bischborner Hofes ist allerdings die sehr günstige Verkehrslage unmittelbar an der B26.. Außerdem sind größere freie Flächen vorhanden.

Zwei sind stärker als einer:  Das Hofgut Erlenfurt kommt zum Bischborner Hof

Unmittelbar nachdem das Projekt Nationalpark Spessart beerdigt war, habe ich vorgeschlagen, das vorgesehene Geld für ein Freilandmuseum in der Nähe von Schloss Mespelbrunn bzw. dem Landschulheim Hobbach zu verwenden (siehe Freilandmuseum Spessart). Die örtliche Politik hatte aber keinerlei Interesse und so habe ich die Sache einschlafen lassen. Die ursprüngliche Intention von MdL Winter war doch, das ungenutzte Hofgut zu erhalten und einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Nur: die Anlage ist ziemlich marode (siehe Bilder oben). Wenn sie dann für 26,5 Mio € ausgebaut worden ist, ist von der ursprünglichen Bausubstanz nur noch wenig vorhanden. Außerdem ist – wie oben schon gesagt – die Erreichbarkeit denkbar schlecht und diese soll aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes auch nicht verbessert werden.

Daher mein Kompromissvorschlag: Man versetzt das Hofgut Erlenfurt an einen gut erreichbaren Ort wie beispielsweise den Bischborner Hof. Platz ist dort genug vorhanden. Man könnte Methoden und Standards verwenden, wie sie auch beim Versetzen alter Gebäude in Freilandmuseen angewandt werden. Damit würde viel mehr alte Bausubstanz erhalten als bei einem Umbau in ein modernes Tagungszentrum. In den Räumlichkeiten ließen sich zum Beispiel in Kooperation mit dem Spessartmuseum Lohr oder dem sehr kompetenten Spessartprojekt Ausstellungen präsentieren zu Waldwirtschaft, Landwirtschaft im Spessart, Wohnen und Arbeiten im Spessart und natürlich auch zum Thema Eichen im Spessart. Damit wären die Vorstellungen beider Abgeordneten und auch die der Staatsregierung erfüllt.

Freilichtmuseum Fladungen

Die alte Krausenbacher Schule, versetzt in das  Freilandmuseum Fladungen

Ich habe einen Fachmann aus dem Freilichtmuseum Fladungen kontaktiert. Er meinte spontan, dass die Umsetzung und Renovierung einen Bruchteil der zur Verfügung stehenden 26,5 Mio € kosten dürfte, will aber noch genauer recherchieren, was die Umsetzung vergleichbarer Gebäude in das Freilichtmuseum Fladungen gekostet hat. Wenn ich genaueres erfahre, berichte ich hier. Mehr Bilder zu den Freilandmuseen Fladungen, Thann und Gottersdorf finden sich auf meiner Webseite www.spessartbilder.eu.

Vorteile dieses Vorschlages:

  • Das Hafenlohrtal bleibt von weiteren Verkehrsbelastungen verschont. Die völlig unrealistischen Pläne von Elektro-Shuttlebussen und E-Bike-Transfer vom Parkplatz zum Eichenzentrum könnte man auf den Müll werfen. Und man spart viel Geld und vermeidet einen Flop, wenn  Besucherzahlen und Auslastung  in Erlenfurt nicht den optimistischen Annahmen entsprechen.
  • Am Bischborner Hof entsteht zusätzlich zu den geplanten Einrichtungen eine weitere Attraktion, durch die die geplante Naturbegegnungsstätte um den Aspekt Kultur im Spessart erweitert wird. Das Angebot am Bischborner Hof wird somit deutlich runder und auch deutlich attraktiver. Eine Sicherheit, dass sich eine ausreichend hohe Besucherfrequenz einstellt, hat man zwar auch da nicht. Aber die Chancen dazu sind wegen der verkehrsgünstigen Lage doch deutlich besser.
  • Wenn man tatsächlich noch ein Tagungszentrum braucht, lässt sich dafür der Bischborner Hof bzw. ein noch zu errichtender Anbau an diesen nutzen. Im Idealfall holt man damit einen privaten Investor an Bord, der das ganze auch betreiben kann. Das müsste aber mit den Eigentümern des Bischborner Hofes abgeklärt werden.